Ein Corona-Blick in die Welt, zu deutschen Auswanderern nach Kalifornien

Katharina Lehmann

Katharina Lehmann, gebn. Kolodziej, legte 1995 in Lübbenau ihr Abitur ab und ging danach nach Heidelberg und 2010 nach Kalifornien. Ihr Partner fragte sie damals, ob sie sich zwei Jahre mit ihm in Silicon Valley vorstellen könnte. Sie konnte und blieb. Beider Kinder sind inzwischen 15 und 17 Jahre alt.

Katharina Lehmann beschreibt ihre derzeitige Situation wie folgt:

In Kalifornien wurde am Freitag, dem 13. März (!), SIP (Shelter In Place), eine Art milder Hausarrest, angeordnet. Ich bin in der privilegierten und überaus glücklichen Position, dass ich von zu Hause als Customer Success Managerin arbeiten kann. Gleiches gilt für meinen Mann und unsere Kinder, die mit Homescooling gut klarkommen.

Mein Sohn Konstantin hat seinen Schulabschluss von der Middle School gefeiert, wobei es keine eigentliche Feier gab. Dennoch haben wir uns mit seinen engsten Freunden und deren Müttern getroffen, Masken und Abstand waren dabei selbstverständlich, und haben Fotos vor dem Schulhaus gemacht. Die vier Jungs, mit ihren Masken und Roben vor dem Schulnamen sehen auf dem Bild wie auf einem Endzeit-Film-Cover aus – es ist eine bleibende Erinnerung für die Jungs!

Meine Tochter Elisabeth hat nach den zehn Wochen Sommerferien an einer neuen Schule angefangen. Dort kennt sie bisher nur wenige der Mitschüler von Angesicht zu Angesicht, denn der Unterricht ist komplett online. In ihrer Freizeit geht sie in ein deutsches Restaurant arbeiten, sie misst dort die Temperatur der Gäste und bring sie zu ihren Plätzen. Jeder muss eine Maske tragen, außer er sitzt am Tisch.

In unserem Haus sitzen wir seit Monaten in unseren Zimmern und arbeiten am Computer. Wir treffen uns tagsüber kurz in der Küche beim Kaffeemachen oder Wasserzapfen. Abends treffen wir uns zum (meist) gemeinsamen Kochen und Abendessen.

An den Wochenenden machen wir Tagesausflüge oder bleiben in der Nachbarschaft. Wir versuchen, Orte mit wenigen Menschen zu finden. Wenn wir aus dem Haus gehen, ist die Maske – der “Corona-Schnuffel” – unser täglicher Begleiter. Wie wir inzwischen erfahren haben, hat einer unserer Freunde fünf seiner Freunde an den Virus verloren. Das hat uns sehr ergriffen!

In der Nacht vom 15. zum 16. August wurden wir gegen drei Uhr morgens wach, es donnerte und es blitzte extrem bei fast keinem Regen. Damit einher ging ein mächtiger Wind, der einen Ast abbrach und damit die Stromversorgung für unser Haus für 33 Stunden lahmlegte. Diese Gewitter-Nacht mit ihren unzähligen Blitzeinschlägen war auch der Auslöser für mehrere Waldbrände und Buschfeuer in unserer Nähe. Den ganzen Tag sah es aus, wie nach einem wunderschönen Sonnenuntergang, aber gespenstisch-beängstigend. Mein Mann hat Freunden dabei geholfen, das Wertvollste aus ihrem Haus in Sicherheit zu bringen. Glücklicherweise war für sie die Gefahr nach gut zwei Wochen vorüber, bis auf eine enorme Aschestaublast ist ihrem Haus nichts passiert. Aber Freunde von ihnen haben ihre Häuser an das Feuer verloren. Das zu hören, macht einen schon sehr traurig.

Die nachfolgenden Tage haben wir im Haus verbracht. Wir haben uns auch endlich einen Luftreiniger angeschafft. Den können wir von Zimmer zu Zimmer tragen, um z. B. die Schlafräume von etwaigen Feinstaub-Partikeln befreien.

Zum Thema Politik: Wir haben sehr angeregte Diskussionen mit Freunden und mit unseren Teenagern. Wenn ich durch die Straßen laufe, fallen mir die Aufkleber an den Verkehrsampeln auf, bei denen ich mir die Fragen nicht verkneifen kann, wie man in diesem multikulturell geprägten, toleranten und weltoffenen Flecken der USA leben kann und sich trotzdem genötigt fühlt, Sticker in der Umwelt zu verkleben.

Zusammengetragen: Peter Becker, 07.10.20

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Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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