Der Run auf’s Futter

Weißstorch

Eine seltene Gelegenheit: Störche nutzen Wiesenmahd für reichlich Futterbeschaffung

Im Spreewald erfolgte in der Schutzzone II bei Raddusch im Rahmen des Vertragsnaturschutzes eine großflächige Wiesenmahd zur Heugewinnung. Hinter der Mähtechnik der Göritzer Agrar GmbH hielten sich zeitweise bis zu 50 Störche auf, um die nun leichter zugängliche Nahrung aufzunehmen. Hoher Pflanzenwuchs in dieser Jahreszeit erschwert üblicherweise die Nahrungssuche. Anders als früher, mit den vielen kleinteiligen und herkömmlich bearbeiteten Wiesen und Feldern, ist es auf den Großflächen und verbunden mit dem Schutzstatus im Spreewald, wesentlich schwieriger für die Störche, an Futter für den Nachwuchs zu gelangen. Hinzu kommt noch die Dürre der letzten Jahre, die den Futterpool zusätzlich minimiert hat. In diesem Jahr scheint die Situation etwas besser sein. Beispielsweise werden in den beiden Radduscher Horsten insgesamt fünf Jungtiere aufgezogen (von jeweils vier geschlüpften Küken).

Die Mahd in der Schutzzone ist erst ab 1. Juli erlaubt, um Bodenbrüter und Kitze nicht zu gefährden. Außerdem ist eine Schnitthöhe von 15 Zentimeter über Grund vorgeschrieben, um Insekten, Amphibien und Kleinsäuger nicht unnötig zu stören – die dann allerdings eine leichte Beute für Störche und Greifvögel werden. Erstaunlich ist die hohe Anzahl der anwesenden Störche auf den frischgemähten Wiesen, vermutlich alles Alttiere, denn die Jungstörche sind erst kurz vor dem Ausfliegen. Es vermag wohl niemand zu sagen, wie und wodurch die Tiere angelockt werden. Die hohe Anzahl lässt auf einen großen Einzugsbereich schließen, der mehrere Spreewaldorte mit ihren Horsten umfasst. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass das Maschinengeräusch allein als „Lockruf“ dafür verantwortlich ist. Obwohl: Wer bis Afrika und zurück findet, findet sicher auch Nahrungsquellen im näheren und weiterem Umfeld…. wie auch immer es die Natur geregelt haben mag.

Der Vetschauer Winfried Böhmer ist Mitglied in der NABU-Arbeitsgruppe Weißstorchschutz: „Es gibt regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern, wobei Brandenburg immer noch die größte Bestandsdichte aufweist, auch wenn der Zuzugsdruck aus dem traditionell storchenreichen Polen immer mehr abnimmt. Es bestätigt sich auch, dass die Westzieher unter den Störchen zunehmen, während die Ostzieher (ziehen nach Ost- und Südafrika über den Bosporus) weiter abnehmen. Die Gründe dieser Entwicklung sind unter anderem, dass die Westzieher mit der Klimaveränderung zunehmend in Spanien und Portugal überwintern und somit viel weniger Verluste auf den Zugwegen erleiden.“ Die Störche nutzen seit jeher die Meerengen von Gibraltar und am Bosporus, da sie als Segler auf Thermik angewiesen sind. Über dem Mittelmeer, dem eigentlichen kürzerem Weg, kann sich diese nicht ausbilden.

Eine weitere Wiesenmahd wird in den Schutzzonen erst Anfang September vorgenommen. Das Heu dient dann nicht mehr der Futtergewinnung, sondern wird in der Göritzer Anlage zur Energieerzeugung benötigt. Und einen großen Run der Störche auf die Kleintiere hinter dem Mähbalken wird es dann auch nicht mehr geben: Die Greifvögel sind unter sich, ihre Futterkonkurrenten sind dann schon längst auf dem Weg nach Süden.

Zu den beiden Radduscher Horsten mit Liveblick: www.storchennest.de

Peter Becker, 13.07.2020

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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