Die (böse?) Mittagsfrau

Mittagsfrau

„Die pŕezpołnica hatte den serp (Sichel) in der Hand, und sagte, wenn jemand mittags auf dem Felde war: »Serp a šyju, Sichel und Hals«. Und wer nicht eine Stunde lang erzählen konnte, dem hat sie den Kopf abgehauen“

Quelle: Willibald von Schulenburg: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin, Nicolai, 1882

Die Mittagsfrau droht den Erntenden!

Was brachial klingt, hat auch einen ernsten Hintergrund: Das Arbeiten in der Mittagshitze ist gesundheitsschädlich, Hitzschlag oder zumindest ein Sonnenbrand waren und sind nicht selten. Das Drohen mit der Sichel kam dem Auftreten des Sensenmanns, dem Gevatter Tod, sehr nah. Die weißgewandete Frau, die Sichel – das sollte als sehr ernste Warnung gesehen werden. In den Überlieferungen wurde sie auch als Feldgöttin, als Mittagsgespenst beschrieben. Sie sollte als Schreckgespenst aufgefasst werden, die zugleich die Beschützerin des Flachs- und Leinenanbaus ist. Ihr Auftritt um die Mittagszeit richtete sich an all diejenigen, die aus Geiz oder Herzlosigkeit ihre Knechte und Mägde und sich selbst der Mittagshitze aussetzten. Retten konnten sich nur diejenigen, die eine Stunde lang über Flachs und Leinen reden konnten!

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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