Der Brauch vom Froschkarren, der eigentlich keiner ist

Froschkarren
Froschkarren

Immer wieder müssen Jessica und Lilly ihre Leiterkarre absetzen und den „aufmüpfigen“ Frosch auflesen und zurücksetzen. Dabei ist der Frosch aus Kunststoff, aber eben sehr leicht und bei der flotten Fahrt über den Stoppelacker als andere als „sitzfest“. Die beiden beteiligen sich mit dem sogenannten Froschkarren an den Erntewettbewerben, die immer noch hier und da gepflegt werden. Anders als früher, als lebende Frösche eingesetzt wurden, die die Tortur auf dem oft trockenen Acker nicht überlebten, sind es heute mit berechtigter Rücksichtnahme auf den Tierschutz Attrappen. Die jungen Männer wetteiferen beim Hahnrupfen um den Sieg und ermittelten den Erntekönig und die Mädchen parallel dazu beim Froschkarren ihre Königin. Es liegt nah, dass beide Sieger dann auch gemeinsam den abendlichen Tanz eröffnen. Das Hahnrupfen ist ein uralter wendisch-heidnischer Brauch, wobei der Hahn für das ausgediente Jahr steht und nicht mehr benötigt wird. Das Froschkarren dagegen scheint keinen besonderen Hintergrund zu haben. Es steht wohl eher als Äquivalent der Mädchen zu den Wettbewerben der Männer. Von einem echten Brauchtum kann also nicht gesprochen werden, zumal das Froschkarren nur in wenigen Dörfern stattfand. In den Quellen der Heimatforscher und Literaten wie Ewald Müller, Engelhardt Kühn und Erich Rinka kommt das Froschkarren gar nicht oder bestenfalls nur im Nebensatz vor. Werner Meschkank vom wendischen Museum Cottbus: „Nach meiner Meinung liegen hier einfach regionale, von der Jugend organisierte Geschicklichkeitsspiele mit gewissem Wettbewerbscharakter vor, vergleichbar mit geselligen Vergnügungen wie Sackhüpfen, Eierlaufen, Würstchenschnappen, Holzpantinenumdiewettelaufen, Junggesellenkarren, Froschgreifen, Blaubeerkuchenwettessen und ähnlichen  Lustbarkeiten bzw. Spielvarianten, wie ich sie seit meiner Kindheit in unserer Region immer wieder erlebt habe. Das Froschkarren hält ein zusätzliches Amüsement bereit, weil sich manche Mädchen eben vor den Fröschen ekeln!“

Beim Froschkarren in der neueren Zeit soll es vorgekommen sein, dass manche Mädchen ihren Frosch kurz vorm Wettkampf in den Kühlschrank verbracht hatten, um ihn träge werden zu lassen. Dass diese Form von „Doping“ zu verurteilen ist, versteht sich von selbst. Inzwischen hat sich die Einstellung zum Tier glücklicherweise gewandelt, niemand möchte mehr Tiere unnötigen Qualen und Stress aussetzen. Allerdings ist auch der „Gruselfaktor“ damit verschwunden, denn kein Mädchen muss mehr den glitschigen Frosch einfangen. Der leichte Plastikfrosch, der nicht befestigt werden darf, bereitet trotzdem noch genug Probleme und Spaß für Akteure wie Zuschauer.

 

Peter Becker, 23.07.18

 

 

Bei Edmund Schneeweis „Feste und Volksbräuche der Sorben“ Akademie-Verlag Berlin, 1953,

  1. 3: “… Den Kindern erzählt man, daß der Storch die kleinen Kinder bringe (der Antike fremd!). Im Dorfe Burg (NL) ´sind sie bei der Mühle in der Spree. Da werden sie aus den Löchern zwischen den Baumwurzeln von Fröschen herausgeholt und dann von der Hebamme mit einem Käscher herausgefischt.´. (Vgl. hierzu die R9olle des Kindersegen prophezeienden Frosches in vielen Märchen; in Württemberg und Baden wird das Quaken der Frösche als Geschrei der neugeborenen Kinder gedeutete. Aus diesem Glauben, daß die Frösche Erscheinungsformen von Seelen sind, ließe sich leicht erklären, warum der Storch die Kinder bringt.)“
  2. 17: „Liebeszauber. Bosheitszauber … Eine wichtige Rolle spielt im sorbischen Liebeszauber der Frosch. Um einen Burschen an sich zu fesseln, soll das Mädchen einen Laubfrosch fangen und ersteren damit berühren. Der Bursche wiederum legt einen lebenden Frosch in einen Ameisenhaufen, geht dann soweit weg, dass er nichts sieht und nichts hört; nach einigen Stunden kommt er wieder und nimmt sich eine ´Hand´ (ruka) des Frosches mit, die er bei Gelegenheit dem ersehnten Mädchen in die Hand drückt. – Für die Verwendung eines vom Ameisen abgenagten Froschbeines (besonders des linken lassen sich nicht nur bei den Deutschen, sondern auch bei den Tschechen, Polen, Magyaren und Südslawen zahlreiche Parallelen beibringen. Das Volk kennt aber auch verschiedene Mittel, um Liebende auseinanderzubringen (Bosheitszauber). Wenn man die abgefressenen Knochen eines in den Ameisenhaufen gelegten Frosches in die Röcke der Liebenden einnäht, so fassen sie kurze Zeit Lieben zueinander, bald aber schlägt die Liebe in Haß um.“ …“

 

 

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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