Von der (Trink-)Wassernot der Spreewälder

Marlene Jedro, 1964, Kunnersdorf, Ströbitzer Landgraben (c) L.Bahlke

Wer im Sumpfgebiet zwischen zahlreichen Wasserarmen lebt, dürfte kein dauerhaftes Problem mit Wasser haben – höchstens mal mit zu viel (Hochwasser) oder mal zu wenig (Dürre).  Jahrhunderte lang war es auch problemlos möglich, dass am Haus vorbeifließende Wasser für Mensch und Vieh zu nutzen. Mit der einsetzenden Industrialisierung und den anfangs kaum vorhandenen Umweltschutzgesetzen wurde die Wasserqualität immer schlechter und der Genuss des Fließwassers immer bedenklicher. Der Spreewald liegt fast ausschließlich im Einflussbereich der Spree – die in ihrem Lauf kurz vor dem Spreewald die Stadt Cottbus passiert. Viele ungeklärte Abwässer gelangten dort in die Spree und somit in den Spreewald. Eine Kommission untersuchte Ende der 1950er Jahre die Wasserqualität und kam zu dem Schluss: „Die Qualität ist denkbar schlecht, eine weitere Entnahme ist unzulässig!“[1] Neben der Entnahme für die menschliche und tierische Ernährung war somit auch für die im Wasser lebenden Tiere praktisch das Todesurteil gesprochen. Die Spreewaldfauna und -flora geriet über weite Fließstrecken in Gefahr, ähnlich dem aktuellen Problem mit der Ockerbelastung aus den tagebaubedingten Belastungen des Grundwassers. Hinzu kam der stetig anwachsende Touristenstrom, der in den Gaststätten für einen hohen Wasserverbrauch sorgte – mal ganz abgesehen von dem Umstand, dass das Wasser (Toiletten) auch wieder entsorgt werden musste. Die Spreewälder entnahmen nicht nur Wasser aus den Fließen, sondern führten ihre eigenen Abwässer zu. Fast alle wuschen ihre Wäsche (meist mit Kernseife!) im Fließ.

Wochenlanger Starkwinter mit zugefrorenen Fließen schuf ein weiteres Problem: Eis musste geschlagen und aufgetaut werden, der Wasserverbrauch sank auf ein absolut notwendiges Minimum, Wäsche blieb liegen, Abwasser gefror vorm Haus.

In Leipe hatte es sich eingebürgert, am frühen Morgen Wasser zu schöpfen und für den Tag zu bevorraten, weil es dann weniger belastet und auch noch nicht von den Touristenkähnen aufgewühlt war. Einige Brunnen wurden zwar gebohrt, aber das Wasser konnte höchstens abgekocht verwendet werden. Mit dem Bau der Trinkwasserleitung 1962 von Lübbenau aus, konnte 1965 in Leipe der letzte Haushalt angeschlossen werden. Die Leitungsverlegung war von großen Schwierigkeiten begleitet: jeder Grabenaushub füllte sich sofort wieder mit Wasser, so dass die Leitungen praktisch unter Wasser verlegt werden mussten. Auf der sechs Kilometer langen Strecke von Lehde bis Leipe galt es 13 Fließe zu unterqueren. Mit der nun sicheren Wasserversorgung für die Leiper begannen die ersten Einwohner sich mehr Komfort zuzulegen: Bäder entstanden, Wasserklosetts ebenso, zuerst in den Gaststätten – und damit ein nun noch größeres Abwasserproblem als je zuvor. Anfangs entstanden Sammelgruben, die aber inzwischen in 3-Kammer-Biokläranlagen umgebaut wurden.

Wasserver- und Wasserentsorgung trugen in den letzten Jahrzehnten wesentlich zur Verbesserung der Wasserqualität bei. Hinzu kam die strikte Einhaltung der Einleitungsbestimmungen im Verlauf der Oberspree, die Maßnahmen der Bergbausanierer und auch ein umweltbewussteres Verhalten der Einwohner. In weiten Teilen des Spreewaldes ist die Entnahme als Brauchwasser (Gartenbewässerung) wieder möglich, aber genehmigungspflichtig, um das gesamte Wassermanagement im Spreewald im Blick zu haben.

Neu ist die Ockerbelastung einiger Fließstrecken, besonders im westlichen Einzugsgebiet des Grundwassers. Die dort vorkommenden Raseneisenerzschichten werden zunehmend vom ansteigendem Grundwasser (nach Einstellung der tagebaubedingten Grundwasserabsenkung) durchströmt und verändern die Wasserqualität erheblich. Flora und Fauna sterben ab, das Wasser wird unansehnlich und wirkt rein optisch schon wenig einladend. Ockerbelastungen gab es auch früher, nach größeren Niederschlagsmengen, doch die waren meist jahreszeitlich bedingt und von kurzer Dauer. Diesem Problem ist schwer beizukommen. Vermutlich wird es Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis wieder der ursprüngliche Zustand mit den früher üblichen Grundwasserständen erreicht wird. Bis dahin behilft man sich mit Bekalkungen und Ruhebecken im Einzugsbereich des Oberflächenwassers, wie etwa in Raddusch und in Vetschau.

[1] Neues Deutschland, 27.02.1962

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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