Das Kriegerdenkmal vom Lübbenauer Kirchplatz

Geschichte und Lösungsansätze

Es geht nicht um eine nachträgliche „Heldenverehrung“, sondern um Ehrung der Toten der Stadt in zwei Kriegen – als Mahnung und Appell für den Frieden überall auf der Welt! Nie wieder Krieg, egal wo. LÜBBENAU bracht eine Erinnerungs- und Mahnkultur – eine Gedenktafel zu Grad Wilfried zu Lynar ist gut und richtig, aber zu wenig!

Das Kriege(r)denkmal vom Lübbenauer Kirchplatz

Die Geschichte dieses Denkmals spiegelt den jeweils herrschenden Zeitgeist wider – eine Betrachtung zum bevorstehenden 100. Jahrestag des Kriegsendes.

In den Lübbenauer Ortsteilen wie Stottoff, Stennewitz oder auch in den umliegenden Dörfern wie Lehde und Zerkwitz, wurden Anfang der 1920er Jahre Denkmäler für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges errichtet. Die Stadt Lübbenau, nun schon unter brauner Herrschaft, zog erst am 25. November 1934 nach und weihte das Denkmal aus westfälischem Dolomit, gestaltet nach einem Entwurf des Berliner Professors Hosaeus, ein. Es war fünf Meter hoch und zeigte einen lebensgroßen verwundeten Krieger. Bereits nach 1920 gab es auch in Lübbenau erste Bestrebungen, ein Denkmal für die Weltkriegstoten zu errichten. Die gesammelten 27 000 Reichsmark verfielen aber durch die Inflation. Ein ins Leben gerufener Denkmalsausschuss sammelte 1924 insgesamt 14 700 Reichsmark ein, darunter eine Spende des Kriegervereins in Höhe von 2000 Reichsmark. Mit diesem Geld sollte den 159 Gefallenen der Stadt nun endlich ein Denkmal gesetzt werden. Ihre Namen wurden auf Ehrentafeln in der nahen Nikolaikirche angebracht, auf dem Denkmal wäre für diese große Anzahl der Gefallenen kein Platz gewesen.

Das Lübbenauer Denkmal war etwas anders, als die meist einfach gehaltenen Denkmäler in den kleineren Orten. Es verkörperte in seiner Bauweise den inzwischen herrschenden nazistischen Zeitgeist. Die Inschrift lautete „Unseren Gefallenen 1914 – 1918 wer auf die preußische Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selbst gehört“.

Den Krieg überstand das Denkmal unbeschadet.  Im Oktober 1946 entfernte der Steinmetzlehrling Gerhard Wahn dem Denkmalsoldaten das Gewehr und die Patronentaschen und brachte an dessen Fahne den Schriftzug „Nie wieder Krieg“ auf – ein Gedanke, der wohl allen Bewohnern der Stadt aus dem Herzen sprach und allen künftigen Generationen als ewige Mahnung dienen sollte.

1962 wurde die den Marktplatz eingrenzende Häuserzeile zu Gunsten einer Neugestaltung von Markt und Straße abgetragen. Dieser Aktion fiel auch gleich das Kriegerdenkmal zum Opfer. Einst von einem Stadtparlament initiiert, wurde aus auf Weisung einer einzelnen Person geschliffen.  Zeitzeugen wollen wissen, dass seine Reste zusammen mit dem Schutt der Abrisshäuser auf verschiedene Plätze, so auch auf den heutigen Busparkplatz, verkippt wurde. Inzwischen sind Teile des Denkmals wieder geborgen worden.

Für Jahre blieb der Sockel des Denkmals, lediglich mit einer Blumenschale geschmückt, verwaist, bis im Mai 1978 die Postdistanzsäule von der Karl-Marx-Straße auf den Marktplatz umzog und diesen Platz einnahm. Mit der Zeit taten sich aber Zweifel an der Richtigkeit des neuen Standortes auf.  Als zu Beginn des neuen Jahrtausends die Postdistanzsäule abgebaut und zu einer notwendig gewordenen Restaurierung kam, flammten diese Zweifel erneut auf. Mit 52,6 % sprach sich 2002 eine knappe Mehrheit der Lübbenauer für die Rückführung in die Karl-Marx-Straße aus. Dort steht die Postsäule saniert seit ihrer Einweihung im Mai 2003 auf dem neuen, alten Standplatz, etwas verloren und weniger beachtet, als auf dem Marktplatz.

Mit Blick auf 100 Jahre Ende des ersten Weltkrieges, im nächsten Jahr, gibt es Bestrebungen von Lübbenauer Bürgern, hier besonders der Schützengilde, ein Denkmal für die Gefallenen aller Kriege zu errichten. Siegfried Stadelmayer, Mitglied der Schützengilde: „Es soll anders sein und gegen Krieg mahnen, damit nie wieder Menschen aus einer Familie, aus einer Stadt, gerissen werden. Keinesfalls ein Kriegerdenkmal, eher ein Krieg-Mahnmal. Die früher viel gepriesenen Helden, waren zumeist keine. Sie hatten oft Angst und wollten leben, bei ihren Frauen und Kindern sein und ein glückliches Leben führen. Sie mussten jung sterben, ihr Leben für wahnwitzige Ideen hergeben. Sie waren zu früh geboren! Den später Geborenen und heute Lebenden war dieses Schicksal glücklicherweise erspart geblieben – es sollte sie aber dazu anhalten, Kriege wo immer auf der Welt zu ächten und sich für den Frieden einzusetzen.“

Rund ums Denkmal:

  • Auf der Rückseite des Kreuzes stand: „Gebt euren Toten Heimrecht, ihr Lebendigen, das wir unter euch wohnen und weilen dürfen in dunklen und hellen Stunden. Weint uns nicht nach, dass jeder Freund sich scheuen muss, von uns zu plaudern und zu lachen. Gebt uns Heimrecht, wie wir’s im Leben genossen haben.“
  • Material: Westfälischer Dolomit (oft fälschlich als Granit ausgewiesen)
  • Im Trubel der ersten Nachkriegswochen erschoss ein Rotarmist aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen auf dem Kirchplatz einen auf Kontrollgang befindlichen höheren sowjetischen Offizier. Der Leichnam wurde in einer Grube hinter dem Denkmal beigesetzt, wozu das Straßenpflaster aufgerissen werden musste. Später wurde der Offizier exhumiert und auf den zentralen städtischen Friedhof der sowjetischen Gefallenen überführt.
  • Kosten des Denkmals: 14 500 Reichsmark

Aus der Tagespresse:

20.01.1921: In Stennewitz sind für den Bau eines Kriegerdenkmals 6.000 Mark gesammelt worden! Einer der wohlhabendsten Bürger weigerte sich.

05.02.1921: Der Fond für ein Lübbenauer Kriegerdenkmal beträgt 8.000 Mark.

05.1921: Die Weihe des neuen Kriegerdenkmals in Groß Lübbenau fand gestern statt.

05.07.1921: In der Gemeinde Stennewitz wurde am 3. Juli ein Kriegerdenkmal enthüllt.

06.1923: Denkmalweihe am 10. Juni in Boblitz.

25.11. 1924: Am Totensonntag […] wurde in Lehde das den Gefallenen von der Gemeinde errichtete Kriegerdenkmal geweiht.

30.06.1928: Veröffentlichung der Namen der Kriegsgefallenen der Kirchgemeinde Lübbenau. (Anm.: es ging auch darum, dass alle Bürger die Korrektheit prüfen sollen)

04.09.1928: In der Lübbenauer Nikolaikirche ist die Tafel für die im Krieg gefallenen angebracht worden (linke Vorderwand des Kirchenschiffes).

25.11.1934: Das Kriegerdenkmal an der Kirche wird geweiht (Totensonntag).

1962: Entfernung des Denkmals, Trümmer verscharrt

26.05.1978: Umsetzung der Distanzsäule (Postsäule) von der Karl-Marx-Straße /Ecke Töpferstraße zum Marktplatz (2003 wieder zurück) auf den Sockel des ehemaligen Kriegerdenkmals.

24.09.2002: Parallel zu den Bundestagswahlen fand in den Wahllokalen eine Abstimmung über den Verbleib der Postdistanzsäule auf dem Markt oder die Umsetzung in die Karl-Marx-Straße statt. Vorausgegangen waren über einen längeren Zeitraum heftige Debatten darüber. Mit 52,6 % sprach sich eine knappe Mehrheit für eine Umsetzung in die Karl-Marx-Straße aus.

15.05.2003: Einweihung der sanierten Postdistanzsäule am Standort in der Vorstadt, Karl-Marx-Straße. Umsetzung im Zuge der Neugestaltung des Marktplatzes.

Die Skizze zeigt das Vorhandensein von Ehrenmalen/Denkmalen wider dem Krieg im Lübbenauer Umland:

Peter Becker, mit dankenswerter Unterstützung durch die Arbeitsgruppe Stadtgeschichte, hier besonders durch Hans-Joachim Nemitz und durch Herrn Dr. med. Siegfried Stadelmayer.

überarbeitet: 2023

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.