95 Jahre Spedition Neumann Burg (Spreewald)

MAN Bus

Burg-Kauper,  wendisch: Kuparske Bórkowy, ist ein Gemeindeteil der im Spreewald gelegenen Gemeinde Burg (Spreewald) in Brandenburg. Burg-Kauper ist, wie das sich südlich anschließende Burg-Kolonie, in der ungewöhnlichen Form einer Streusiedlung angelegt. Der gesamte sich nördlich und nordwestlich von Burg-Dorf erstreckende Ort besteht aus jeweils einzelnen für sich stehenden Gehöften. Der Ort wird von verschiedenen Armen der Spree durchzogen, die in der Vergangenheit als einzige Verkehrsader dienten. Heute ist die Ortschaft auch auf dem Landweg zu erreichen. Die erste urkundliche Erwähnung des Orts als selbständige Gemeinde erfolgte 1725. Der Ortsname Kauper geht auf das wendsche Kupa (dt. = Insel) zurück. Tatsächlich wurden im Laufe der Zeit die etwas erhöht gelegenen Kaupen im sonst unwegsamen, von Spreearmen durchzogenen Gebiet besiedelt. Wie auch in Burg-Kolonie wurden in Burg-Kauper in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom preußischen Staat Siedler angesiedelt, um das Gebiet urbar zu machen. Im Jahr 1852 gab es in Burg-Kauper 1390 Einwohner. Als Dorfschulze ist zu dieser Zeit Mathes Selleng überliefert. Zu diesem Zeitpunkt bestand für den Ort auch bereits eine eigene Schule. Eine zweite wurde später auf dem Grundstück Weidenweg 8 errichtet. Für das Jahr 1852 waren in Burg-Kauper ein Fleischer, elf Vieh-, Federvieh- und Lebensmittelhändler verzeichnet. 1960 wurde Burg-Kauper, wie auch Burg-Kolonie, nach Burg-Dorf eingemeindet. (Wikipedia)

Im Burger Fuhrunternehmen Neumann spiegelt sich die deutsche Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen ab, mit Aufschwung und mit Niedergang. Privates Schicksal und staatliche Willkür prägten das Leben der Neumanns.

 

Vorfahren der Neumanns – väterliche Linie[1]

Der Familienstammbaum lässt sich bis ins Jahr 1659 zurückverfolgen. Damals war die Familie noch in Calau ansässig. Dokumentiert ist ein Christian Neumann, Gnaden[2]– und Freimeister[3]. Sohn Andreas (1665) ist Fleischermeister und Garkoch[4] in Calau. Dessen Sohn Johann Christian Neumann ist ebenfalls Fleischermeister und wird 1731 in den Unterlagen erwähnt. In der Söhnelinie folgen Christian Neumann (Fleischermeister in Calau), Johann Gottlob Neumann (Garnwebermeister in Vetschau). Mitte des 18. Jahrhunderts siedelt die Familie aus dem sächsischen Vetschau ins preußische Burg über. Es kann als gesichert gelten, dass die Familien den Werbungen der Burger Webereibetreiber gefolgt sind, die Weber aus dem Ausland (Sachsen) auf Befehl des preußischen Königs nach Burg holten. Die Weberei sollte als Zulieferer für Uniformstoffe dienen und war somit im Blickwinkel staatlichen Interesses. Zwei weitere Neumann-Generationen sind später ebenfalls als Garnwebermeister in Burg tätig.

Die Burger Leineweberfabrik bestand von 1750 bis 1850 und diente dem Broterwerb mehrerer Neumann-Generationen. Sie lag unmittelbar am Leineweberfließ und somit an der Grenze zu Sachsen. (Entgegen der landläufigen Auffassung hat die Lage damals nichts mit der heutigen Bleiche zu tun, an deren Standort wurde um 1770 lediglich ein Bleichplatz eingerichtet.)

 

Mit dem Brand der Burger Weberwerkstatt 1850 und der aufkommenden maschinellen Weberei, stirbt das Handwerk der Leineweber allmählich aus. Johann Friedrich Neumann (1869 – 1939) ist als Butterhändler unterwegs. Im Burger Raum ist er als „Butrak“[5] überall bekannt. Als solcher musste er die Butter möglichst schnell auf die Märkte bringen, besonders im Sommer. Möglicherweise ist hier ein Ansatz zur Gründung eines Transportunternehmens zu sehen, den sein Sohn später Fritz 1921 mit der Gründung des Fuhrunternehmens Neumann vollzog.

 

Die Eltern von Heinrich Neumann

 

Im Siebenjahresabstand wurden dem Burger Fuhrunternehmer Friedrich Wilhelm „Fritz[6]“ Neumann (1893 – 1974) und seiner Ehefrau Marie, geb. Schulz (1893  -1961), drei Söhne geboren. Neben dem Haupterwerb, der Landwirtschaft mit Gemüse- und Kohlegroßhandel, stellten die Eltern im Sommer ihr Schlafzimmer für Gästeübernachtungen zur Verfügung. Sie zogen dann für diese Zeit in eine auf dem Heuboden eingerichtete Schlafstatt.

 

Die Geschwister

Friedrich jun., der Erstgeborene (ebenfalls Fritz genannt), kam 1921 zur Welt. Er wurde Kraftfahrer im elterlichen Betrieb, wurde aber bald zur Wehrmacht eingezogen. Dort ebenfalls als Lastwagenfahrer eingesetzt, war er beim Vormarsch auf die Sowjetunion dabei. Bei der Überquerung des zugefrorenen Dneprs im Winter 1942 brach der schwere Lkw (er hatte Pressluftgranaten geladen) kurz vor dem Ufer ein. Das Fahrzeug versank schnell, niemand konnte sich retten. Mit Fritz Neumann ertrank sein Kommandeur, der als Beifahrer mitfuhr. Später wurden die Leichen geborgen und mit militärischen Ehren in Flussnähe beigesetzt.

 

Die Fuhrunternehmerfamilie hatte schon vor dem Tod ihres Ältesten einen Sohn verloren: Heinz Neumann kam 1928 zur Welt und wuchs zwischen Autos und Maschinen auf. Sein Spielplatz – und sein Verhängnis- waren die Fahrzeuge auf dem Hof. Auf einer Anhängergabel spielend, bemerkte er zu spät, dass sich das Fahrzeug, gestartet vom Onkel, in Bewegung setzte. Sein zehnjähriger Spielgefährte konnte sich noch retten, der fünfjährige Heinz aber fiel herunter, wurde vom Anhänger erfasst und erlitt dabei tödliche Kopfverletzungen. Es kostet Kraft, sich vorzustellen, was die Mutter durchgemacht hat: Sie war in der Nähe und hat nach dem Unfall ihren kleinen Sohn, der Kopf vom Anhängerrad zermalmt, auf den Arm genommen und ins Haus getragen hat …

 

Heinrich Neumann

Ein reichliches Jahr nach dem grausigen Vorfall, der Erstgeborene war inzwischen 14 Jahre alt, kam Heinrich am 8. Mai 1935 als drittes Kind zur Welt. Er wuchs wohl angesichts des schlimmen Unfalls besonders umsorgt auf, musste aber dennoch, wie alle Dorfkinder damals, häufig in der nebenbei betriebenen Landwirtschaft helfen. Seine Unterstützung war auch im Gemüse- und Kohlenhandel gefragt. „Beim Briketthandel musste ich für jeden abgefüllten Sack immer ein Brikett beiseite legen, um anschließend besser abrechnen zu können“, erinnert er sich Heinrich Neumann an seine ganz frühen Verkaufserfahrungen.

ie elterliche Firma – ein Rückblick bis zum Neuanfang 1945

Zuerst für den Eigenbedarf gedacht, warf der Landwirtschaftsbetrieb so nach und nach etwas Gewinn ab. Die Neumanns waren nicht kinderreich, wie damals allgemein üblich und konnten somit stets einen Teil ihrer Ernte verkaufen. In der Folge entwickelte sich ein Gemüsegroßhandel, der später noch um einen Briketthandel erweitert wurde.  Den Fuhrbetrieb gründete Fritz Neumann 1921. Sie gehörten zu den Ersten, die sich ein Pferd zulegten. Pferde waren im Spreewald recht selten, denn für die kurzen Wege und die kleinen Flächen zwischen den Fließen genügten Ochs‘ und Kuh. Außerdem neigten die Pferde beim Transport auf dem Kahn zum Scheuen. Als die ersten Pferde im Spreewald vorm Pflug zu sehen waren, gab es für die Kinder kein Halten, sie mussten die „unbekannten“ Tiere unbedingt aus nächster Nähe sehen.[7] Fritz Neumann übernahm die Transporte von Feldfrüchten, Fleisch und Gemüse zu den Märkten nach Cottbus und in andere Orte der Umgebung. Ein erster Lkw, ein „Hansa Lloyd[8]“ wurde 1930 angeschafft, ab 1934 kamen noch drei Büssing[9]-Busse dazu, die im Linien- und Reiseverkehr Einsatz fanden. Wie damals üblich, wurde nur das Chassis inklusive Motor erworben und der Aufbau nach Kundenwünschen in einer Karosseriewerkstatt vorgenommen. Neumanns ließen ihre Busse von der Ruhlander Firma Radochla endfertigen. Dies ermöglichte es, auf spezielle Kundenwünsche einzugehen. „Wir konnten so die Sitzreihen etwas enger als in der Standardausführung gestalten, da passten ein paar Leute mehr rein, früher waren sie auch nicht so dick“, erinnert sich Heinrich Neumann schmunzelnd an die Geschäftspraktiken seines Vaters.

 

Mit den drei Bussen wurde der immer umfangreicher werdende Personenverkehr abgewickelt. Kraft durch Freude-Fahrten gehörten ebenso dazu, wie Ausflugsfahrten in die Sächsische Schweiz oder ins Theater nach Cottbus. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurden nach und nach alle Fahrzeuge für Rüstungsaufgaben eingesetzt. Die Busse dienten vor allen Dingen den täglichen Transporten von Arbeitern in das Lautawerk, einer Aluminiumfabrik. Nebenbei mussten noch die Gemüsetransporte in die Kohleregion um Senftenberg abgesichert werden. Die Arbeit in der heimischen Landwirtschaft wurde zunehmend den Kriegsgefangenen überlassen. Ein Pole, eine Polin, ein Franzose und ein Serbe mussten für die Neumanns arbeiten. Der Pole, Ladislaw Woizek und der Franzose waren zusätzlich als Lkw-Fahrer im Einsatz. Die Nähe, besonders die Arbeit in einem Familienbetrieb, führte dazu, dass die Gefangenen letztlich nicht als solche behandelt wurden. Sie wurden als Mitarbeiter angesehen und saßen auch am Mittagstisch der Familie.

Nach dem Durchmarsch der Front im April 1945 kehrten die Neumanns wie viele andere Burger auch, vorsichtig aus dem Spreewaldverstecken auf ihre Höfe zurück. Der erste Kontakt mit den Besatzungssoldaten geschah voller Angst, war aber letztlich unvermeidlich. Aus der Garage hatten diese schon ein zuvor demontiertes Fahrzeug beschlagnahmt und abgeschleppt. Es stand dort ohne Motor, der ausgebaut und daneben abgestellt war. Den wollten sie später holen, fanden ihn aber nicht mehr vor. Sie machten Fritz Neumann dafür verantwortlich und wollten ihn standrechtlich erschießen, weil er „kriegswichtiges Gerät“ entfernt hatte. Dabei waren es andere Soldaten gewesen, die bei ihren Beutezügen zwar nicht mehr den „Büssing“ vorfanden, dafür aber den Motor, den sie mitnahmen. Erst durch die Sprachvermittlung einer Flüchtlingsfrau, die etwas Russisch konnte, wurde der Sachverhalt sprichwörtlich in letzter Minute geklärt. Doch bald zog neues Unheil auf, denn der Name Friedrich Neumann soll auf einer Nazi-Liste gestanden haben. Auf der Kommandantur konnte der Vorwurf insofern entkräftet werden, dass wohl dem namensgleichen Sohn die NS-Mitgliedschaft unterstellt worden sei – und der war schon vor drei Jahren im Dnepr ertrunken.

 

Die Familie stand 1945 vor dem Nichts, selbst das Vieh und die Gemüsevorräte wurden beschlagnahmt. Einzig ein Pferd, ein Fohlen aus Fehrow, konnten sie sich anschaffen, mit dem der damals zehnjährige Heinrich später Feldarbeiten durchführte. In der allgemeinen Not, Lebensmittel waren knapp, bekam Fritz Neumann aus Byhlen ein Tauschangebot. Dort war ein Lkw, vergraben im Wald, unentdeckt durchs Kriegsende gebracht worden. Er sollte nun gegen Geld und Lebensmittel eingetauscht werden. Der Versuch, ihn mit einem Traktor aus der Grube zu ziehen, scheiterte vorerst. Ein Pferdegespann sollte am nächsten Tag diese Aufgabe übernehmen, aber da waren schon Motor und Vorderachse gestohlen. Dennoch dienten die Reste als Grundstock für einen neuen Firmenaufbau 1946. Im Bestand geblieben war nur die sogenannte „Dreikantpfeile“. Das Motordreirad „Tempo[10]“, schien den Besatzern nicht besonders gefallen zu haben und kam unbeschadet durch die Kriegswirren.

 

Die Zeit von 1945 bis zur Wende 1990

In der ersten Aufbauzeit waren große Transportmengen zu bewältigen, es gab viel zu tun und deshalb „keine Zeit für eine Berufsausbildung.“ so der Vater Fritz Neumann zu seinem Sohn. „Alles was du brauchst, kannst du bei mir lernen, in der Werkstatt“, lautete sein Urteil über die berufliche Zukunft seines inzwischen einzigen Sohnes. In der Zeit des Heranwachsens kam der Gemüsehandel in die Kohleregion immer besser in Gang, ein weiterer Ford-Lkw wurde angeschafft und der erst Siebzehnjährige übernahm die Transportfahrten. Mit Vaters Haftung im Hintergrund, konnte Heinrich Neumann frühzeitig die Fahrprüfung ablegen. Im Alter von 21 Jahren bekam Heinrich Neumann den Gewerbeschein. Regelmäßig fuhr er auf die Dresdener Märkte und beliefert sie mit Gemüse, vorrangig mit Möhren. Dabei blieben Pannen des altersschwachen Ford nicht aus, sie wurden mit viel Geschick und meist ohne fremde Hilfe bewältigt. Heinrich Neumann erinnert sich: „Einmal, es muss 1955 gewesen sein, blieb ich in Großräschen mit defekter Zylinderkopfdichtung liegen. Mit einem geborgten Fahrrad holte ich in Senftenberg eine neue Dichtung. Um Wege abzukürzen, nutzte ich mit dem Fahrrad gleich die Autobahn in Gegenrichtung – damals bei dem geringen Verkehrsaufkommen eine tolerierbare Verkehrssünde!“

 

Heinrich Neumann übernahm 1956 die Transportfirma von seinem Vater. Der „Byhlener Ford“, ein 1,5-Tonner, war inzwischen in die Jahre gekommen und wurde verschrottet. Der verbliebene Ford von 1954 (ein 3-Tonner) bekam einen Kipperaufbau und diente fortan der Kiesbeschaffung für die Kraftwerksbauten in Vetschau und Lübbenau. Die Geschäfte gingen gut und immer besser, drei weitere Lkws wurden zugelassen, auch ein Zetor[11]-Traktor kam hinzu.

 

Nach der Kraftwerksfertigstellung orderte das Wohnungsbaukombinat Cottbus Kiestransporte, um den enorm gestiegenen Bedarf an Wohnungsbauten realisieren zu können. Das Neumann’sche Fuhrunternehmen wuchs in dieser Zeit auf 24 Fahrzeuge an, darunter SIS- und SIL-Lkw, Barkass B1000 und Lkw W50. Es war das größte private Fuhrunternehmen im Kreis Cottbus – bis zum verhängnisvollen Jahr 1974!

 

Die Familie Heinrich und Vera Neumann

Heinrich Neumann hatte am 16.09.1961 Vera Preisig geheiratet. Die am 01.02.1939 in Schulzendorf Geborene kam 1945 mit ihren Eltern als Übersiedlerin nach Burg. Sie lernte Verkäuferin, beim Tanz in Burg kamen sich beide näher. Nach der Hochzeit lebten sie die erste Zeit im Haus seiner Eltern, später in einem Wohnanbau, der am Garagenkomplex entstand.

Anfang der 1970er Jahre begann das Paar ein Wohnhaus auf der gegenüberliegenden Wiese zu errichten. Es war im Bungalowstil gehalten und sehr geräumig. Deutlich hob es sich von dem damals üblichen Baustil ab. Architektenleistungen und teilweise das Baumaterial bezog der Bauherr von seiner Westberliner Verwandtschaft (Bruder der Frau). Zum geplanten Einzug 1974 sollte es aber nicht kommen…!

Vera arbeitete in der Buchhaltung im Betrieb Ihres Mannes, wurde aber nach der Enteignung des Fuhrunternehmens von einem Tag zum anderen arbeitslos. In der LPG-Buchhaltung fand sie dann eine Arbeit. Dabei stand sie unter MfS-Spitzelbeobachtung, wie sie später erfahren sollte. Vera verstarb am 14. Juni 2012.

 

Am 6. Juni 1964 kam Sohn Ralf in Cottbus zur Welt. Seine Einschulung war am 05.09.1971 in die Kauper-Schule II, Burg/ Spreewald („Ich bin auch immer zu spät gekommen, wie mein Vater, obwohl es nur über die Wiese war!“) Ab der fünften Klasse besuchte er die Dorfschule, Burg/ Spreewald (POS). Für ihn war es einschneidendes Erlebnis, dass er als Klassenbester und Ausgezeichneter nicht in die Pionierrepublik Werbellinsee reisen durfte, weil sein Vater zu der Zeit als Staatsfeind inhaftiert war. Ralfs Platz nahm dann der Zweitbeste ein. Am 20.04.1979 erfolgte die Übersiedlung nach West-Berlin und Einschulung in die 8. Klasse der dortigen Gustav-Heinemann-Gesamtschule. Zur 9. Klasse erfolgte ein Wechsel an das Sophie-Scholl-Gymnasium, weil dort als Fremdsprache Russisch gelehrt wurde und er zum Abitur zwei Fremdsprachen brauchte. Zur 11. Klasse erfolgte ein Wechsel an das Oberstufenzentrum Wirtschaft- und Verwaltung – aus Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und um die leidige Fremdsprache Russisch los zu werden, denn die konnte dort durch das Leistungsfach „Wirtschaft“ ersetzt werden.

Die Allgemeine Hochschulreife (Abitur) erlangte Ralf am 26.06.1984 mit der Note 1,9.

Von 1984 bis 1986 erfolgte eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung zum Speditionskaufmann bei der Güterfernverkehrs-Genossenschaft, Berlin. Am 01.09.1986 trat Ralf Neumann in den väterlichen Speditions-Betrieb ein. Die Übernahme des Betriebes erfolgte durch ihn am 01.12.2008, am 22.10.2015 wurde sein Sohn Friedrich Ludwig Neumann geboren.

 

Der (ganz) private Fuhrpark

In einer Zeit allgemeiner Knappheit und sehr langen Wartezeiten auf einen Privat-Pkw gelang es Heinrich Neumann mit viel Verhandlungsgeschick den einen oder anderen für damalige Verhältnisse ganz ordentlichen Pkw zu erwerben. Darunter ein F9, später ein VW-Käfer und ein Sachsenring[13]

„Bitte melden Sie sich zur Klärung eines Sachverhalts beim Rat des Bezirkes Cottbus!“, lautete die an sich harmlos klingende Aufforderung an Heinrich Neumann. „Sind Sie Neumann?“, lautete dort die Frage eines im Büro anwesenden Staatsanwalts, als er zum Termin am 5. Juni 1974 vorsprach. Dieser legte ihm nach dessen Bejahung umgehend Handschellen an! Heinrich Neumann wurde verhaftet, ihm wurden Verbrechen zum Nachteil sozialistischen Eigentums vorgeworfen. Aber das erfuhr er erst nach und nach, ihm wurden Steuerhinterziehungen in Größenordnungen vorgeworfen, auch die Abrechnung der erbrachten Transportleistungen und verkauften Kiesmengen gegenüber dem Wohnungsbaukombinat Cottbus wiesen angeblich grobe Unstimmigkeiten auf. Über 10 000 Tonnen Kies sollen unrechtmäßig abgerechnet worden sein, Kraftstoff soll ebenfalls in überhöhten Mengen steuerlich geltend gemacht worden sein.

Heinrich Neumann kam in das Untersuchungsgefängnis in der Cottbuser Bautzener Straße und wurde dort mehrmals verhört. Zur Gerichtsverhandlung schien ohnehin schon alles klar zu sein. Der Beschuldigte bekam zwar einen formellen Rechtsbeistand, das Urteil aber war im Hintergrund schon gefällt: Neun Jahre Zuchthaus und Verbot einer selbstständigen Tätigkeit auf Lebenszeit wegen Vergehens am sozialistischen Eigentum lautete es nach kurzer Verhandlung. Der gesamte Fuhrpark, das bezugsfertige Haus und 200.425,92 Mark der DDR („der Mehrerlös aus dem verbrecherischen Tun“), mehr als auf dem Konto war, wurden eingezogen. Von diesem Geld wurden dem Wohnungsbaukombinat Cottbus Nord ein Betrag in Höhe von 139.482.74 Mark als „Rückforderungsanspruch“ zugeteilt, das Wohnungsbaukombinat in der Peitzer Straße erhielt 9.323,73 Mark zugesprochen. Die Kosten des Verfahrens hatte der Angeklagte zu übernehmen[14]. Zusätzlich wurde das Sorgerecht für Sohn Ralf in einem gesonderten Verfahren entzogen.

„Diesen 5. Juni 1974 vergesse ich mein Leben lang nicht! Nichts ahnend fuhr ich an diesem Frühsommertag mit meinem „Wartburg“ nach Cottbus – den Abend des Tages verbrachte ich schon in der Gefängniszelle. Dort brachte mir Knochen-Karl, der Aufseher barsch und ruppig bei, wie man sich als Gefangener zu verhalten hat. Plötzlich war ich recht- und schutzlos“, erinnert sich Heinrich Neumann an den verhängnisvollsten Tag in seinem Leben.

Zum politischen Hintergrund: Mitte der 1970-ziger Jahre rollte eine Enteignungswelle durch die DDR. Dem sozialistischen Staat war es ein Dorn im Auge, wenn sich „kapitalistische Zellen“ ausbreiteten. Privatunternehmen wurden nur bis zu einer gewissen Größe geduldet. Bei mehr als acht Beschäftigten konnte es schon Ärger und Repressalien geben. Teilweise wurde die Unternehmer gezwungen, einem volkseigenen Betrieb beizutreten, teilweise wurden Enteignungsdrohungen ausgesprochen, fast immer aber wurden deren Arbeitsbedingungen erschwert. Im Glücksfall konnte der Eigentümer im dann volkseigenen Betrieb Betriebsleiter sein. Viele Spreewälder Gurkenverarbeitungsbetriebe wurden so in Staatseigentum überführt. Der Lohn für die Angestellten musste, besonders im Gastronomiegewerbe, unter dem Tarif von Konsum oder HO liegen, was sich bei der allgemeinen Arbeitskräfteknappheit negativ auswirkte. Fruchteten alle Drohungen und Repressalien nicht, wurde der Unternehmer kriminalisiert. Oft reichten fadenscheinige Verdachtsmomente aus, um zu enteignen und zu inhaftieren – so wie auch im Fall Heinrich Neumann. Dafür spricht auch der Umstand, dass nach der Wende das Urteil des Bezirksgerichts kassiert und auf „unschuldig“ plädiert wurde. 

Verlorene Jahre im Zuchthaus Brandenburg

Wenige Tage nach dem Gerichtsurteil erfolgte die Verlegung ins Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dies geschah mit einem ganz normalen Regelzug der Deutschen Reichsbahn: Am Ende des Zuges hing der sogenannte Grotewohl[17]-Express, ein Gefängniswagen. In aller Öffentlichkeit, aber streng bewacht, stiegen die Häftlinge auf dem Cottbuser Bahnhof zu. In Brandenburg-Görden angekommen, erfolgte die Ausgabe der Sträflingskleidung – darauf weithin sichtbar der „Knast-Balken“. Die Zelle war mit etwa 20 Strafgefangenen belegt, geschlafen wurde in drei Etagen. Die Zellinsassen waren in Arbeitsbrigaden eingeteilt, die im Vier-Schichtsystem tätig waren und entsprechend kamen und gingen. Gleich am ersten Abend wurden ihm die zugeteilten Zigaretten gestohlen. Der Nichtraucher hatte sie mitgebracht, um sie gegen nützliche Dinge einzutauschen. In der Zelle hatten die „LLer“, die Lebenslänglichen, das Sagen. Sie, die nichts mehr zu verlieren hatten, führten das Regime. Heinrich Neumann kam in die Werkstatt für Dreher und wurde von einem Zivillehrmeister angelernt. Die Arbeitsbedingungen waren denkbar schlecht, es stank, die Luft war stickig und meist überhitzt. Vom ersten Monatslohn ( 5 Mark) kaufte er sich Briefpapier und Kugelschreiber, damit er Kontakt zu seiner Familie aufnehmen konnte. „Gekonnt“ produzierte Heinrich Neumann immer mehr Ausschuss, um aus der Werkstatt zu kommen. Er begründete dies mit seiner zittrigen Hand und den schlechten Augen. Der Plan ging auf und er wurde in die Abwaschküche versetzt. Täglich 3000 Teller waren nun zu reinigen, zwischendurch half er als Essensausgeber. Irgendwie fügte es sich, dass er in seinem alten Beruf tätig werden konnte, als Kraftfahrer. Innerhalb des Zuchthauses waren Transporte zwischen den Werkstätten zu erledigen. Auch Möbel und Möbelteile, für IKEA gefertigt, mussten zur Übergabestelle im äußeren Ring gefahren werden. Mit einem Fenno-Lkw[18] und später mit einem Zetor 300 –Traktor wurden diese Transporte bewältigt. Darunter auch zahlreiche ABC-Schutzanzüge für die NVA und andere bewaffnete Organisationen der DDR, die im Zuchthaus genäht wurden. Heinrich Neumann hatte etwas gefunden, was er konnte, seine Technik hielt er bestens im Schuss – ein Garant für die „Weiterbeschäftigung“. Schließlich galt es neun Jahre zu überstehen. Glücklicherweise sollten es dann doch nur fünf Jahre werden. Bei den monatlichen Besuchen seiner Ehefrau ließ diese durchblicken, dass ein Antrag auf Freikauf Erfolg haben könnte, wenn dem Rechtsanwalt Vogel 100 000 DM überwiesen würden. Ihr Schwager hatte in Westberlin ein gutgehendes Geschäft und würde diese Summe vorschießen. Im Januar 1979 war es dann soweit: Gemeinsam mit anderen Freigekauften wurde Heinrich Neumann ins Abschiebegefängnis nach Karl-Marx-Stadt verlegt. Dort waren die Haftbedingungen etwas besser, vor allen Dingen erträglicher, weil ein Ende abzusehen war. Nach vier Wochen, am 16.02.1979, fuhren die Gefangenen, die sie ja bis zum Grenzübertritt immer noch waren, in West-Bussen mit Potsdamer Kennzeichen aus dem Hof des Gefängnisses. „Witzigerweise wurden wir bei der Ausfahrt von schwerbewaffneten VoPos bewacht – hatten die etwa Angst, dass wir aus den Bussen zurück ins Gefängnis fliehen könnten!?“, erinnert sich Heinrich Neumann an den Tag der Wiedererlangung der Freiheit. Vornweg fuhr Rechtsanwalt Vogel im Pkw, in den Bussen je zwei Stasi-Bewacher und hinter den Bussen ein Stasi-Lada. Am Grenzübergang Herleshausen wurden die Potsdamer Kennzeichen entfernt – und mit dem Überqueren der Grenze wurde von allen die deutsche Nationalhymne gesungen. Vom Aufnahmelager Gießen erfolgte in den folgenden Tagen die Verlegung in andere Orte. Heinrich Neumann flog von Frankfurt/Main nach Berlin. Dort hätte er sich im Aufnahmelager Marienfelde aufhalten müssen, er konnte aber bei seiner in Westberlin lebenden Schwägerin unterkommen und musste sich nur regelmäßig in Marienfelde melden. Dort gab es auch Verhöre durch den westdeutschen und amerikanischen Geheimdienst.

Neustart 1980

Nach Heinrich Neumann konnte auch seine Frau und der Sohn einige Wochen später am 20.04.1979 nach Westberlin umsiedeln. Kurzfristig bekamen sie den Ausreisebescheid. Die Westberliner Verwandtschaft half mit Transporttechnik, und unter den Augen des MfS wurde der Hausrat verladen – und peinlich genau auf Listen erfasst. Die Westberliner (Verwandtschafts-)Firma „Stahlbeton- und Gleisbau Hilbig & Ventzke“ war im Auftrag der Deutschen Reichsbahn, der auch das Westberliner Schienennetzt gehörte, tätig und entwickelte sich zu einem florierenden Unternehmen.

 

Der Neuanfang gestaltete sich für Heinrich Neumann schwieriger als gedacht: Dass im DDR-Urteil festgeschriebene Beschäftigungsverbot auf Lebenszeit galt wegen eines Rechtshilfeabkommens zwischen beiden deutschen Staaten auch in der BRD! (Heinrich Neumann: „Mein erster Nackenschlag in der sogenannten Demokratie!“) Mit einem geplanten Neubeginn als selbstständiger Fuhrunternehmer wurde es vorerst nichts – Heinrich Neumann bekam keine staatliche Konzession dafür. Frei, aber praktisch arbeitslos, nutzte er die Zeit, um dieses Urteil anfechten zu lassen, er belegte Kurse und absolvierte verschiedene für eine spätere Gewerbeausübung notwendigen Prüfungen. Fast zwei Jahre hielt dieser Zustand an, bevor das Beschäftigungsverbot aufgehoben wurde und er endlich die Konzession bekam. Mit einem Tankwagen wagte er 1980 die Neugründung seines Transportunternehmens. Transporte quer durch Europa, darunter nach Paris sicherten zunehmend die wirtschaftliche Basis der noch jungen Firma. Friedrich Schulze aus Berlin-Mariendorf überließ ihm dafür eine Sattelzugmaschine MAN für 22 000 DM auf Abzahlung und einen Kässbohrer Tank-Sattelauflieger zur Miete. Die Ratenzahlungen wurden je nach „Finanzlage“ des nun selbständigen Fuhrunternehmers getilgt. Fast zehn Jahre fuhr er Last- und Kühlzüge im inzwischen deutlich erweiterten Fuhrpark. Bei Fahrten nach Osteuropa kamen ihm seine Grundkenntnisse der wendischen Sprache entgegen, die er in Burg erlangt hatte. Anders als seine Kollegen mit Englischkenntnissen, konnte er sich im slawischen Raum verständlich machen. Bald konnte der Fuhrpark erweitert werden

Die Firmenentwicklung von 1980 bis 1990

Der Betriebssitz befand sich im Einfamilienhaus der Schwägerin Ilona Ventzke, Wildspitzweg 8, Berlin-Mariendorf, in der die Familie Neumann seit der Umsiedlung auch wohnte. Am 03.04.1980 erfolgte der Abschluss eines Beschäftigungs-Vertrages mit der Spedition Friedrich Schulze, Berlin-Mariendorf („Millionen-Schulze“ – damals größte Spedition in West-Berlin, 2008 insolvent) –

Heinrich Neumann kündigte den Beschäftigungsvertrag zum 31.12.1980, weil der vom Verkäufer garantierte Umsatz pro Monat zwar eingehalten wurde, die gefahrenen Kilometer pro Tour aber immer mehr wurden und sich das Geschäft damit nicht rentierte. Die Fa. Schulze zielte wohl darauf ab, die Fa. Neumann in die Insolvenz zu treiben und dann die Güterfernverkehrs-Konzession zu bekommen, die damals mit ca. 100.000 € gehandelt wurde.

Am 17.11.1981 erfolgte der Kauf eines neuen Kühl-Sattelaufliegers Schmitz für den Transport von Frischfleisch und anderen Lebensmitteln deutschland- und europaweit für die Thermospedition Berlin. Im Laufe der Jahre wurde die Kühlerflotte auf 3 Sattelzüge und einen Anhängerzug erweitert. Diese Geschäftsbeziehung mit der Thermospedition hielt bis 1994. Ein erster neuer Planenzug wurde am 21.01.1986 gekauft. Damit erfolgten Transporte von Tetra-Pak-Getränkeverpackungen von West-Berlin nach West-Deutschland.

Im gleichen Jahr, zum 1. September, erfolgte der Eintritt von Ralf Neumann als Disponent in die väterliche Firma. Ein Jahr später erfolgte der Kauf eines weiteren neuen MAN-Planen-Zuges sowie die Übernahme eines gebrauchten VOLVO-Planenzuges von der Fa. Bäthge-Baustoffhandel, Berlin, und Start mit Baustofftransporten im Auftrag der Firma Eckart Schulz, Berlin. Später folgten Kaffeetransporten: Rohkaffee in Säcken von den Häfen in Bremen und Hamburg zur EDUSCHO-Rösterei in Berlin-Spandau und im Anschluss von dort Röstkaffee zurück nach West-Deutschland (vor allem nach Neumarkt/ Oberpfalz).

1988 erfolgte der Umzug auf den ersten gemieteten Betriebshof auf dem ehemaligen Hamburg-Lehrter-Bahnhof in Berlin-Moabit, mit eigener Werkstatthalle und Büro, dass aber nur mit einer Öl-Ofenheizung, die jeden Tag neu mit Kannen befüllt werden musste.

Am 17.05.1988 wurde der Kauf des ersten Planen-Kippzuges getätigt. Dieses Fahrzeug war zum Transport von losem Rohkaffee von Bremen und Hamburg nach Berlin und anschließendem Transport von palettierten Kaffee mit demselben Fahrzeug gedacht. Einen Monat später erfolgte die Erstzulassung eines weiteren Planen-Kippzuges. 1989 (zur Wende und Grenzöffnung) bestand der Fuhrpark in West-Berlin dann insgesamt aus 8 Zügen (5 Planen-LKWs und 3 Kühl-LKWs).

 

Die Wende 1990 brachte die Heimkehr nach Burg – und eine Aufteilung der Firma

Nach dem Hoch der Wendezeit (u.a. Fahrten für Coca-Cola, Berlin) erfolgte um 1992/1993 ein starker Geschäftseinbruch in West-Berlin, der die Existenz der Firma bedrohte. Die Frischfleischtransporte gingen durch den Bau neuer Schlachthöfe im Umland zurück, die EDUSCHO-Rösterei wurde geschlossen und bei Coca-Cola übernahm ein neuer General-Spediteur alle Transporte – damit fielen die Hauptauftraggeber weg. Gleichzeitig musste zum 30.06.1993 der Betriebshof auf dem Hamburg-Lehrter-Bahnhof in Berlin geräumt werden, weil dort Beamtenwohnungen im Zuge des Umzugs der Bundesregierung nach Berlin gebaut wurden.

 

Der Abschluss eines Mietvertrages mit der Treuhand am 01.10.1993 für einen neuen Betriebshof auf einem ehemaligen LPG-Gelände in Diepensee am Flughafen Schönefeld brachte neuen Aufschwung. Hier war eine zentralbeheizte Werkstatt und ein Büro, der Umzug erfolgte im Januar 1994.

Mit Wirkung vom 01.07.1994 erfolgte die Übernahme des Fuhrparks mit der gesamten Logistik für das Fleischzentrum Lausitz in Kasel-Golzig bei Luckau. Schlagartig konnten Mitarbeiter- und Fahrzeug-Anzahl mehr als verdoppelt werden. Im Schlachthofgebäude wird ein eigenes Büro bezogen, in dem ein angestellter Disponent die abgehenden Transporte und das Betriebsgeschehen organisierte. Zur selben Zeit ergaben sich auch wieder Einsatzmöglichkeiten für die Planen-Kipp-Züge, die seit der Schließung der EDUSCHO-Rösterei unbeschäftigt waren: Es wurden Sägespäne von der Fa. ICA in Berlin in den Raum Versmold gefahren und von dort diverse Handelswaren zurück. Der Fuhrpark hatte jetzt einen Umfang von 2 Planen- und 10 Kühl-Fahrzeugen. 1995, nach Schließung des ebenfalls 1993 neu gebauten Schlachthofes in Neustrelitz wurden auch diese Transporte ab Kasel-Golzig abgewickelt und es wurden weitere 6 Kühl-Fahrzeuge übernommen.

Nach Insolvenz der Fa. ICA (Sägespäne) wurden 1996 die Transporte mit Planen-Fahrzeugen aufgegeben. Dafür erfolgte bis 2003 die kontinuierliche Ausweitung des Transportvolumens für den Schlachthof in Kasel-Golzig, der den Großteil des Umsatzes ausmachte. Die Transporte verlagern sich vom deutschlandweiten Fernverkehr immer mehr zum Verteilerverkehr in den neuen Bundesländern. Eine Betriebstankstelle auf dem Schlachthofgelände in Kasel-Golzig wurde 1999 errichtet. 2003 erfolgte eine Erneuerung des gesamten Fuhrparks und die Umstellung auf Kühl-Wechselbrücken, um im mittlerweile umfangreichen Fleisch-Verteilerverkehr in dem gesamten Gebiet der Neuen Bundesländer durch Umbrücken Kilometer und somit Kosten zu sparen und gleichzeitig die gesetzlichen Lenk-und Ruhezeiten der Fahrer einhalten zu können.

Das Betriebsgelände Diepensee musste 2004 im Rahmen des Neubaus des Hauptstadtflughafens geräumt werden. Der Umzug wurde auf ein neues gemietetes Betriebsgelände mit großer Werkstatt in Niederlehme vollzogen. Nach Schließung der Schlachthöfe in Anklam und Dessau (2006) stieg das Ladungsaufkommen von Kasel-Golzig – auch in die östlich angrenzenden Länder wie Polen und Tschechien. In Kasel/Golzig wurde 2006 eine LKW-Waschanlage in errichtet. Sohn Ralf übernahm 2008 die Firma seines Vaters Heinrich Neumann im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge und wandelte sie in eine GmbH & Co.KG um.

Der Fuhrpark besteht 2010 mittlerweile aus 25 eigenen LKWs,  es werden auch noch zwei Subunternehmer mit diversen Fahrzeugen beschäftigt. Zur Firma gehören jetzt über 30 Mitarbeiter. Am 01.02.2011 werden die Transporte nach Mecklenburg-Vorpommern und für den Lebensmittel-Einzelhandel an den Schlachthof in Perleberg abgegeben. Damit fallen diverse Verteilertouren weg. Der Fuhrpark muss auf 15 Fahrzeuge reduziert und viele Mitarbeiter müssen entlassen werden. Die Subunternehmer werden gekündigt. Vom Schlachthof in Kasel-Golzig sollen verstärkt die Exportmärkte in Polen, Russland, Tschechien, Italien beliefert werden. Diese Transporte werden aber zunehmend von Transport-Unternehmern aus diesen Ländern übernommen, die durch niedrigere Lohnkosten wesentlich günstigere Frachtpreise anbieten können. So muss der Fuhrpark in der Folge weiter reduziert werden.

In Berlin können 2012 erste Neukunden gewonnen werden, dafür erfolgte zum 31.10.2013 die Schließung des Schlachthofes in Kasel-Golzig[19] mit daraus folgender weiterer deutlicher Reduzierung des Fuhrparks und Entlassung von Mitarbeitern. Es folgte ein schwieriges Jahr der Neuorientierung mit anfangs herben Verlusten und sogar mit Überlegungen, die Firma ganz zu schließen. Ab Mitte des Jahres gelang eine erstmalige Konsolidierung der Verkehre. Eine neuerliche Erweiterung ist nun durch Fahrermangel nicht möglich.

 

Heinrich Neumann kehrt heim

Mit der politischen Wende 1990 in der DDR war die Zeit für eine Rückkehr in die Burger Heimat gekommen. Zuvor mussten noch Rehabilitationsansprüche geltend gemacht werden, auch die Rückübertragung des unrechtmäßig entwendeten Eigentums –sofern noch möglich- war einzufordern. Mit Gerichtsbeschluss vom 19.02.1992 wurde Heinrich Neumann vollständig rehabilitiert. Nach Rückgabe des Eigenheims und bauliche Zurückversetzung in den alten Zustand (das Haus war als Kindereinrichtung genutzt worden) konnten die Neumanns endlich einziehen –17 Jahre nach Fertigstellung.

 

Zurück in Burg und auf dem angestammten Familiensitz, übernahm Heinrich Neumann als Generalvertreter die gesamte Frischfleischlogistik für den Schlachtbetrieb der VION Lausitz in Kasel/Golzig bis zur Schließung des Betriebes 2013. Der Transport mit Planen-Lkws wurden nach und nach aufgegeben, dafür kamen wieder Kippzüge (wie schon vor 1974) für Baustofftransporte hinzu. Daneben lief das Geschäft mit Frischfleisch, nun mit anderen Auftraggebern, weiter. Die Auftragslage für die Kipptransporte war anfangs gut, denn nach der Wende wurden zahlreiche Straßen und Wege saniert. Mit dem Rückgang der Baustofftransporte stieg Heinrich Neumann 1999 in den Reisedienst ein.

 

Reisedienst Neumann

Es ist nicht Heinrichs Neumanns Ding, die Hände in den Schoß zu legen. Nach dem Rückgang der Kippertransporte hätte er sich zur Ruhe setzen können, das Rentenalter hatte er bereits erreicht. Vielleicht war es die Erinnerung an den Anfang des Unternehmens, an Vater und Großvater, die ihn an den damals so erfolgreichen Busverkehr anknüpfen ließ. Auf der Suche nach Bussen, nach Streckenkonzessionen und Beförderungsaufträgen wurde er 1999 Mitglied im Verband der Busunternehmer („der einzige im Verband ohne einen Bus, damals!“). Durch Zufall erfuhr Heinrich Neumann vom Verkauf des Reiseunternehmens Lucie Berger[20] in Neupetershain. Für zwei Millionen DM-Mark ging das Unternehmen nach Burg, aber nur den Inhabersitz betreffend. Logistik und die vier Setra-Busse[21] blieben in Neupetershain. Mit dem Burger Sitz war die Möglichkeit gegeben mit dem Markennamen Spreewald zu arbeiten – der Spreewald Reisedienst nahm umgehend seine Arbeit auf.  Die Setra-Busse wurden zwischenzeitlich verkauft und gegen modere MAN-Reisebusse eingetauscht, auch ein gebrauchter Daimler-Bus kam hinzu. Mit dem Erwerb der Firma konnten auch die Verträge mit der Kreisverkehrsgesellschaft übernommen werden. Nach dem Verkauf der Südbrandenburger Verkehrsgesellschaft an eine britische Firma, für die das Neumann-Unternehmen ebenfalls unter Vertrag stand, gingen die Aufträge spürbar zurück, obwohl die Konzessionen noch nicht abgelaufen waren. Heinrich Neumann setzte seine Busse im regionalen Schülerverkehr und im Pendelverkehr nach Berlin Schönefeld ein. Letzteres geschah in Hinblick auf die baldige Inbetriebnahme des Großflughafens BER. Bald musste diese Linie wiedereingestellt werden. Für nur 10 EUR konnte eine einfache Fahrt gebucht werden, dennoch war die Auslastung zu gering. (s. Werbung in der Anlage)

 

Da auch Fördermittel für die Halle und die Busse akquiriert wurden, war das Unternehmen auf Umsatz angewiesen, der aber nicht im notwendigen Umfang erbracht werden kann. Heinrich Neumann beschritt wegen der Nichteinhaltung zugesicherte Konzessionen den Klageweg beim Landesamt für Verkehr, mit langwieriger Bearbeitungsdauer, von fünf Jahren ist die Rede.

 

 

 

 

Das Fuhrunternehmen im 95. Jahr

 

Heinrich Neumann, inzwischen 80 Jahre alt, steht immer noch dem Reisedienst vor, den er zusammen mit seinem Sohn je zur Hälfte besitzt. Zum Betrieb gehören eine Sekretärin und ein Busfahrer, die die gelegentlich anfallenden Fahrten abwickeln. Heinrich Neumann schaut in Neupetershain regelmäßig nach dem Rechten.

 

Ralf Neumann ist seit 2008 Inhaber des Berliner Firmenzweiges. Inzwischen ist dort eine stabile Geschäftsentwicklung zu verzeichnen, wenn auch auf niedrigem Niveau mit nur noch acht Fahrzeugen. Ein weiterer Ausbau der Geschäfte scheitert am Fahrermangel.

Das elterliche Grundstück wartet auf eine Wiederbelebung. Ralf Neumann möchte dort vier Wohnungen errichten, bekommt aber nur drei genehmigt. Damit ist der Finanzierungsplan nicht gesichert und der Bau kann nicht begonnen werden.

Ein holpriger Weg zum 100. Firmenjubiläum, aber das Burger Unternehmen hat schon viele Tiefen gemeistert und auch Höhen erfahren ..!

 

 

 

Anlagen

Zeittafel – die wichtigsten Ereignisse im Überblick

1921 Gründung des Fuhrbetriebes durch Fritz Neumann in Burg
1930 Anschaffung eines ersten Lkw, ein Hansa Lloyd
1934 Anschaffung von 3 Büssing-Bussen
1945 Beschlagnahmung fast aller Fahrzeuge durch die Sowjetarmee
1956 Übernahme der Firma durch Heinrich Neumann
1961 Eheschließung mit Vera, gebn. Preising
1964 Sohn Ralf geboren
1974 Enteignung und Beschlagnahmung von 24 Transportfahrzeugen, des Eigenheims und des Sparguthabens, Heinrich Neumann wird zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt (wegen „Verbrechen am sozialistischen Eigentum“)
1976 – 1991 Das Eigenheim wird als Kinderkrippe genutzt
1979 Freikauf, Übersiedlung nach Westberlin
1980 Neugründung eines Transportunternehmens in Westberlin
1990 Rückkehr nach Burg
1992 Vollständige Rehabilitierung lt. Gerichtsbeschluss
1999 Kauf des Reiseunternehmens Lucie Berger und Gründung des Reisedienstes Spreewald
2008 Sohn Ralf übernimmt den Westberliner Firmenzweig

 

 

Zusammengestellt  von Peter Becker im Januar 2016 nach Aussagen von Heinrich und Ralf  Neumann, sowie von Zeitzeugen und Quellen und unter Zuhilfenahme der Ahnenforschungsergebnisse von Rolf Radochla.

 

 

 

[1] Nach Recherchen von Rolf Radochla

[2] Meister, der unentgeltlich, aus Gnade, das Meisterrecht erlangt hat

[3] Bezeichnung aus dem Mittelalter für einen Meister, der keiner Gilde, Zunft oder Zeche unterstellt war. Die Freimeisterei war eine Ausnahmeregelung zumeist für Kunstmaler, Künstler oder Bildhauer, damit sie ihre Produkte regulär verkaufen können.

[4] Garkoch – einer, der täglich Essen anbietet, heute vergleichbar mit einem Gastwirt.

[5] Butrak: wendische Bezeichnung für Butterhändler

[6] Der Vorname Friedrich wurde -wie damals allgemein üblich- zu Fritz verkürzt.

[7] s. Neue Vetschauer Zeitung 1902 im Anhang

[8] Hansa Lloyd: Die Hansa-Lloyd Werke A.G. entstanden 1914 aus dem Zusammenschluss der Hansa-Automobil GmbH in Varel und der Norddeutschen Automobil und Motoren AG (NAMAG) in Bremen-Hastedt

[9] Die Büssing AG wurde von Heinrich Büssing im Jahr 1903 als „Heinrich Büssing, Specialfabrik für Motorlastwagen, Motoromnibusse und Motoren, Braunschweig, Elmstraße“ gegründet und entwickelte sich zu einem der größten Anbieter von Omnibussen und Lastkraftwagen in Mitteleuropa mit beachtlichen Exporten auch nach Übersee. Insbesondere seit den 1930er Jahren prägten die Omnibusse mit dem Löwenemblem das Bild des städtischen Verkehrs. Spezialität von Büssing waren Fahrzeuge mit Unterflurmotor. 1971 wurde das Unternehmen von MAN übernommen.

[10] Die Vidal & Sohn Tempo-Werk GmbH mit Sitz in Harburg wurde 1928 gegründet, um Lieferwagen zu bauen. Aufgrund eines Gesetzes von 1928 durften Kraftfahrzeuge mit weniger als vier Rädern und einem Hubraum von weniger als 200 Kubikzentimetern ohne Führerschein gefahren werden und waren steuerfrei.

[11] Zetor ist ein Traktorenhersteller mit Sitz in Brünn. Das Unternehmen wurde 1946 gegründet und in den 1990er Jahren aus der Firma Zbrojovka ausgegliedert. 2002 wurde Zetor von der slowakischen HTC-Holding übernommen.

[12] SIS: Der Lkw ZIS-150 (russisch ЗИС-150) des sowjetischen Fahrzeugherstellers Sawod imeni Stalina (Завод имени Сталина) wurde von 1947 bis 1957 gebaut und geht auf den vor dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion entwickelten ZIS-15 (ЗИС-15) zurück. In verschiedenen Quellen wird der ZIS-150 auch als mit der deutschen Transkription SIS-150 geführt. Im letzten Produktionsjahr wurde das Fahrzeug im Zuge der Entstalinisierung bereits als ZIL-150 bezeichnet.

[13] Der Horch P 240 „Sachsenring“ war ein repräsentatives Oberklassefahrzeug, das von 1956 bis 1959 im ehemaligen VEB Horch-Werk in Zwickau entwickelt und hergestellt wurde.

[14] Urteil Bezirksgericht Cottbus 111-25/74

[15] Das Zuchthaus wurde 1860 erbaut. Zu DDR-Zeiten wurde es zum Strafvollzug des Ministerium des Innern genutzt. Die Verfahren wurden jedoch zumeist vom Geheimdienst Stasi durchgeführt.

[16] Die Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel (abgekürzt JVA Brandenburg a. d. Havel), ehemals Strafanstalt Brandenburg-Görden (allgemein als Zuchthaus Brandenburg-Görden bekannt), ist eine Justizvollzugsanstalt des Landes Brandenburg in Brandenburg an der Havel, im Stadtteil Görden. In ihr sind männliche erwachsene Straftäter mit bis zu lebenslangen Freiheitsstrafen und Untersuchungshäftlinge untergebracht. Sie wurde von 1927 bis 1935 als eine der damals modernsten Haftanstalten Europas für etwa 1.800 Häftlinge errichtet.

[17] Der Gefangenensammeltransportwagen der Deutschen Reichsbahn war zu DDR-Zeiten ein spezieller Reisezugwagen der Gattung Zm zur Verlegung von bis zu 90 Gefangenen zwischen Haftanstalten. Neben regulären Häftlingen transportierten sie häufig auch politische Gefangene. Unter den Häftlingen hatte das Fahrzeug, wie auch seine Vorgänger, den Namen Grotewohl-Express.[1] Otto Grotewohl war von 1949 bis 1964 der erste Ministerpräsident der DDR.

[18] Der Phänomen Granit 27 ist ein leichter Lkw des VEB Kraftfahrzeugwerk Phänomen Zittau. Der Zweitonner war im damaligen DDR-Fahrzeugbau über dem Framo V 901 und unter dem IFA H3A angesiedelt.

[19] Rundschauartikel

[20] Das Adressbuch 1934 verzeichnet das „Fuhrunternehmen Erich und Max Berger, Neupetershain“

[21] Setra ist seit 1995 eine Marke der Daimler AG, die im Geschäftsbereich Daimler Buses durch die 100-prozentige Konzerntochter EvoBus GmbH in Europa vertrieben wird. Die Kässbohrer Fahrzeugwerke bauten in Ulm Busse unter dem Markennamen Kässbohrer Setra, bis das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und die Omnibussparte an Daimler-Benz verkaufen musste. Der Name Setra leitet sich von dem Wort „selbsttragend“ ab.

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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